Belvoir Inside: Globalisierung, Wundermittel für Wohlstand und Wachstum

Der Welthandel als Indikator für die Kraft der Globalisierung.

Seit 1983 hat sich das Handelsvolumen, gemessen an den Warenex-porten, von 1.84 Billionen Dollar auf 17.2 Billionen Dollar in 2017 mehr als verachtfacht. Mit Abstand grösster Exporteur ist China, wel-ches für rund 13.2% aller Warenexporte verantwortlich ist. China ist seit 2001 Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) und erlebt seither einen wahren Boom. Die USA mit 9.0% Anteil und Deutsch-land mit 8.4% komplettieren das Trio an der Spitze der Exporteure. Auf der Importseite ist die gleiche Dynamik zu verzeichnen, aller-dings führt hier die USA mit einem Anteil von 13.7% vor China mit 10.5% und Deutschland mit 6.6% die Liste an. (*1)

Anteile am Welthandel, Quelle: WTO

 

Die dynamische Entwicklung im Welthandel spiegelt sich auch im Bruttosozialprodukt der Volkswirtschaften wider.

Bis Anfang der 2000er Jahre war die Weltwirtschaft von den USA und der EU dominiert. Zusammen zeigten sie sich für rund 60% der Wirtschaftsleistung (GDP) verantwortlich. Mit dem Aufschwung Chi-nas sank dieser Anteil in 2017 auf knapp 45%. Für China war die Ini-tialzündung, wie schon erwähnt, die Aufnahme in die WTO im Jahre 2001. Wie konsequent China seinen Weg verfolgt, zeigt der Vergleich mit Indien. 1982 waren beide Länder in einer ähnlichen Ausgangslage. Sie tru-gen jeweils knapp 2% zur globalen Wirtschafts-leistung bei. Indien konnte seinen Anteil am glo-balen GDP 2017 in etwa halten, während China mittlerweile einen Anteil von 15% aufweist. (*2)

Verschiebung des globalen Wachstums 1982 vs. 2017, Quelle: Weltbank

China entwickelte sich somit zum Paradebeispiel einer aufstrebenden Volkswirtschaft. Ist nun mit einer Sättigung bei den Wachstumsraten des glo-balen GDP’s zu rechnen? Ein Blick auf eine wei-tere Kennziffer lässt den weiteren Verlauf erah-nen. Das «GDP per Capita» misst die Wirtschafts-leistung einer Volkswirtschaft je Einwohner. Für die Europäische Union beträgt das GDP per Ca-pita 32’935 USD. Für die USA beträgt der Wert 57’831 USD, die Schweiz gehört mit einem Wert von 81’110 USD zu den globalen Spitzenreitern. China weist ein GDP per Capita von 8’309 USD aus. Schafft China den Sprung zu den entwickel-ten Volkswirtschaften und erreicht in naher Zu-kunft einen Wert um die 15’000 – 20’000 USD, würde dies eine weitere Verdoppelung der aktuel-len Wirtschaftsleistung bedeuten. China würde dann seinen Anteil am weltweiten GDP auf rund 25% – 30% erhöhen. Längst ist China ein wichti-ger Teil im Getriebe der globalisierten Weltwirt-schaft. (*1)

Ordnung im globalen Miteinander

Gemäss Definition beschreibt Globalisierung die zunehmende weltweite Verflechtung von Wirt-schaft, Politik, Kultur und Umwelt. Vordergründig wird Globalisierung jedoch häufig mit der wirt-schaftlichen Integration von Volkswirtschaften ver-knüpft. Voraussetzung für die wirtschaftliche In-tegration ist jedoch ein politischer Konsens. Das bedeutet, die Verständigung auf Normen und Re-geln, die als Basis für internationale Verflechtung von Dienstleistungs- und Warenverkehr dienen.

Die 1994 gegründete Welthandelsorganisation (WTO) mit Sitz in Genf ist neben dem Internatio-nalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank die zentrale internationale Organisation, die den Rah-men für den internationalen Handel bildet. Sie ging aus dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) hervor. Die Mitgliedsstaaten der WTO decken heute rund 98% des Welthandelsvo-lumens ab. Neben dem Regelwerk der supranati-onalen Organisationen wie WTO und IWF regeln häufig bilaterale bzw. multilaterale Freihandelsab-kommen zwischen Staaten oder Staatengemein-schaften die Konditionen bei der Umsetzung der Handelsbeziehungen. Die Europäische Union schliesst solche Handelsabkommen im Namen ih-rer Mitgliedstaaten ab. Als Beispiel sei hier das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidge-nossenschaft und der Europäischen Union (EU) erwähnt, welches 1972 mit dem Ziel der Vertie-fung der Wirtschaftsbeziehungen abgeschlossen wurde. Seither wurde es fünfmal angepasst und ist heute in der Fassung vom 30.3.2005 gültig. Diese Abkommen regeln zum Beispiel Einfuhr-zölle bzw. Warengruppen, für die reduzierte oder gar keine Zölle gelten. Auch Einfuhrbeschränkun-gen sind in den Abkommen definiert. Häufig wer-den Rohstoffe, Agrarerzeugnisse oder Technolo-gieprodukte mit besonderen Regeln und Richtli-nien reguliert oder ganz aus einer Vereinbarung ausgeklammert. Die Europäische Union mit Ihren 28 Mitgliedsstaaten ist der grösste Wirtschafts-raum, der «vertraglich» geschaffen wurde und ein gutes Beispiel für wirtschaftliche und politische In-tegration.

Wohlstandstransfer

Die Globalisierung hat dazu geführt, dass Wert-schöpfungsketten internationalisiert wurden. Der Ausdruck der verlängerten Werkbank prägte da-bei das Bild, als arbeitsintensive Produktions-schritte von den Industriestaaten in Niedriglohn-länder verlagert wurden. Die globale Arbeitstei-lung hatte zunächst den Zweck, die Güter für die Märkte in den Industrieländern günstig zu produ-zieren. Erst zum Ende der 90er Jahre, als die so-genannten Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, Hong Kong und Singapur) den Sprung von Entwick-lungsländern zu Industriestaaten meisterten, än-derte sich das Bewusstsein. Die wachsende Mit-telschicht in diesen Ländern besass auf einmal eine Kaufkraft und eigene Konsumwünsche, so-dass für die Industrienationen neue Märkte bzw. Marktchancen entstanden. Heute gilt China mit dem bereits beschriebenen Potential als der Markt der Zukunft. Unternehmen haben sich längst darauf ausgerichtet. Die sogenannten Glo-bal Player zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Waren und Dienstleistungen rund um den Globus anbieten und dabei die Spezifikationen auf ihre Zielmärkte ausrichten. Da erscheint es nur logisch, dass bei entsprechend grossen Ziel-märkten auch gleich vor Ort produziert wird.

Die Macht der Global Player

Global Player erwirtschaften einen Grossteil ihrer Umsätze ausserhalb ihres Heimatmarktes. In aller Munde sind die grossen Technologiewerte Google, Apple, Amazon, Microsoft und Facebook. Tatsache ist aber auch, dass von den 30 DAX-Konzernen 28 einen Umsatzanteil im Ausland von grösser als 50% erwirtschaften. Der Volkswagen-Konzern ist ein gutes Beispiel für einen Global Player. 2017 beschäftigte der Konzern weltweit 642’300 Mitarbeitende, von denen 44.9% in Deutschland arbeiteten. 23.7% aller hergestellten Fahrzeuge im Konzern wurden in Deutschland produziert, aber von den gut 10 Millionen ausge-lieferten Fahrzeugen wurden gerade mal 1.1 Milli-onen im Heimatmarkt abgesetzt. (*3)

Global aufgestellte Konzerne sind mit multiplen nationalstaatlichen Interessen konfrontiert. Der Abgasskandal hat dies beim Autobauer aus Wolfsburg verdeutlicht. Während in den USA hohe Schadenersatzforderungen bis hin zur Rückabwicklung der Kaufverträge den Konzern Milliarden kostete, wurde in Deutschland bzw. Eu-ropa relativ milde geurteilt. Ein anderes Beispiel ist das von der Europäischen Union gegen Google verhängte Bussgeld von 4.3 Milliarden Euro wegen Missbrauch der eigenen Marktmacht. Weiter bereiten die steuerlichen Gestaltungsmög-lichkeiten global aufgestellter Unternehmen den nationalen Finanzbehörden grosse Sorgen. Die Unternehmen lenken Grossteile ihrer Gewinne so um, dass sie in der Einheit anfallen, die einem günstigen Steuerregime unterliegt.

Ein Handelsstreit kann die Globalisie-rung nicht stoppen

Neben dem Konfliktpotential zwischen Global Players und nationalstaatlichen Interessen kommt es häufig auch zwischenstaatlich zu unterschiedli-chen Interessenlagen. Letztlich treten Volkswirt-schaften in einen Wettbewerb zueinander. Zwar leiden Industriestaaten unter der Verlagerung von Produktionsstätten und damit Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer. Auf der anderen Seite nimmt dieser Prozess Druck von den Inflationsraten, sorgt also für niedrige Preise bzw. nur moderate Preissteigerungen in den Industrieländern. Das gilt übrigens auch für den Faktor Arbeit. Ein um-gekehrtes Bild entsteht in den «Niedriglohnlän-dern». Der Faktor Arbeit wird stark nachgefragt und in der Folge sollte durch Lohnsteigerungen ein Wohlstandseffekt in diesen Ländern eintreten. Es findet somit über den globalen Arbeitsmarkt ein Wohlstandstransfer statt, der am Ende wiede-rum zu mehr Nachfrage nach Waren und Dienst-leistungen führt. Nun gibt es immer sowohl posi-tive als auch negative Beispiele für diesen Pro-zess. Heute gilt Deutschland beispielsweise als ein Gewinner der Europäischen Währungsunion (EWU). Nach Einführung des Euro als Gemein-schaftswährung hatte Deutschland jedoch anfäng-lich einen massiven Standortnachteil. Das hohe Lohnniveau führte zu massiven Arbeitsplatzverla-gerungen in die Nachbarstaaten. Das Wirtschafts-wachstum in Deutschland lag Anfang der 2000er Jahre weit hinter dem Durchschnitt der EWU zu-rück. Neben der dadurch verursachten hohen Ar-beitslosenquote unterdrückte das hohe Zinsni-veau in der Eurozone die Wiederbelebung der Wirtschaft. Die durch die Agenda 2010 angescho-benen Reformen, die über Jahre moderaten Lohnforderungen und fallende Zinsen brachten dann die Wirtschaft in Deutschland wieder in Schwung. Heute gilt Deutschland ganz klar als Profiteur des gemeinsamen Wirtschaftsraums.

Entwicklung der globalen Wirtschaftsleistung in Milli-arden USD, Quelle: Weltbank

Ein weiteres Beispiel ist China. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas hat viele Arbeitsplätze in den In-dustriestaaten gekostet. Der Wohlstandstransfer sorgte aber auch dafür, dass China zu einem der grössten Märkte für die Produkte der «alten» In-dustriestaaten geworden ist. Die Entwicklung der globalen Wirtschaftsleistung zeigt, dass der Ku-chen auch Dank der Globalisierung grösser ge-worden ist. Natürlich soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass es auch negative As-pekte der Globalisierung gibt. Viele Schwellenlän-der leiden unter der starken Abhängigkeit von Auslandsinvestitionen und häufig unter einer ho-hen Auslandsverschuldung. So können sie die Lü-cke zu den Industriestaaten nur schwer schlies-sen. Die Umwelt ist wohl einer der grössten Ver-lierer der Globalisierung. Der wachsende Wohl-stand führt zu einem sprunghaft ansteigenden Verbrauch der Ressourcen und erhöhten Emissio-nen schädlicher Treibhausgase. Kein Zweifel – hier besteht Handlungsbedarf. Das kann jedoch nur im Konsens aller Beteiligten erfolgen. Dazu wurden seinerzeit die Institutionen wie WTO und IWF ins Leben gerufen und im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Paris die Vereinbarung zur Be-grenzung der menschgemachten globalen Erwär-mung geschlossen.

Eine auf nationalstaatliche Interessen ausgerich-tete Politik der Abschottung scheint hier der fal-sche Weg zu sein. Der Abbau von Handelsbarrie-ren und die Öffnung der Märkte haben zu einem langanhaltenden Aufschwung, niedrigen Inflati-onszahlen und mehr Wohlstand geführt. Die Ein-führung von Strafzöllen und die Infragestellung der supranationalen Institutionen und Abkommen, wie dies der US-Präsident Donald Trump derzeit praktiziert, bewirken das Gegenteil. Es wird Zeit eine gemeinsame Linie zu finden, damit negative Aspekte der Globalisierung, allen voran die Um-weltzerstörung, begrenzt werden.

 

QUELLENANGABE:

(*1) = WTO; (*2) = WELTBANK; (*3) = GESCHÄFTSBE-RICHT DER VOLKSWAGEN AG

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